Schnelles Denken und seine Grenzen

Für unsere Vorfahren war schnelles Denken überlebensnotwendig. In einer Welt mit einer unübersichtlichen Fülle an verschiedenen und oft mehrdeutigen Informationen führen „gedankliche Abkürzungen“ jedoch immer wieder zu unvorteilhaften Ergebnissen. Insbesondere in der Finanzwelt sind Anleger*innen anfällig für psychologische Fallstricke, was zu irrationalem Handeln und finanziellen Verlusten führen kann.

Wir haben uns für Sie angesehen, welche irrationalen Ansätze am häufigsten auftreten und wie unnötige Risiken vermieden werden können.

Über psychologische Fallstricke und irrationale Entscheidungen

In Kürze zusammengefasst

  • Früher überlebensnotwendige „gedankliche Abkürzungen“ können heute bei der Geldanlage zu irrationalem Verhalten führen.
  • Die Angst vor Verlusten führt dazu, dass Anleger*innen schlechte Aktien zu lange halten und gute Aktien zu schnell verkaufen.
  • Anleger*innen folgen oft der Mehrheit und orientieren sich am „Mainstream“. Durch Übertreibungen können dabei ganz schnell Spekulationsblasen entstehen.
  • Tendenzielle Übergewichtung des Heimatmarkts führt zu Konzentrationen und Klumpenrisiken im Portfolio.

Überleben durch schnelle Entscheidungen

Für unsere Vorfahren war schnelles Denken essenziell für ihr Überleben. Ist das ein Löwe im Gras? Ist der Fremde mir freundlich oder feindlich gesinnt? Wie kann ich effizient in einer Gruppe agieren, um größere Beute jagen zu können? Unser Gehirn hat sich an diese Herausforderungen angepasst und zwei unterschiedliche Systeme entwickelt, um Informationen zu verarbeiten.

 

Daniel Kahneman, einer der einflussreichsten Verhaltensökonomen unserer Zeit, hat das schnelle, automatische und emotionale Denken als System 1 bezeichnet. System 2  hingegen ist für das langsame, bewusste und logische Denken zuständig. System 1 gibt ständig Impulse und Vorschläge an System 2 weiter. Den Großteil der alltäglichen Entscheidungen fällt jedoch das ständig aktive System 1. Erst, wenn wir uns bewusst auf eine Entscheidung konzentrierten, wird System 2 aktiv.

 

Der evolutionäre Vorteil von System 1 ist dabei die schnelle Entscheidungsfähigkeit bei nur begrenzt verfügbaren Informationen. Um diese Schnelligkeit jedoch zu ermöglichen, sind „gedankliche Abkürzungen“ notwendig, welche wiederum fehleranfällig sind und zu irrationalen Entscheidungen führen können.

Die Verhaltensökonomie deckt Heuristiken auf

Das Feld der Verhaltensökonomie hat in den letzten Jahrzehnten enorm an Bedeutung gewonnen. Wurde bisher in der Forschung allen Akteuren auf dem Markt eine bedingungslose Rationalität zugestanden, haben Forscher wie Daniel Kahneman oder Amos Tversky in verschiedenen Laborexperimenten gezeigt, dass sich Menschen in realen Situationen anders verhalten als von den Standardtheorien vorhergesagt.

 

Seit den ersten Experimenten und der Etablierung der Verhaltensökonomie als eigenständiges Forschungsfeld haben Kahneman und seine Kollegen zahlreiche „gedankliche Abkürzungen“ (Heuristiken) und psychologische Fallstricke identifiziert, welche zu irrationalem Verhalten führen können. Ein Großteil davon kann dabei auf steinzeitliche „Erfolgsstrategien“ zurückgeführt werden und beeinflusst noch heute unser tägliches Verhalten. Kahneman hat für seine jahrzehntelange Forschung im Jahr 2002 gemeinsam mit dem Wirtschaftsforscher Vernon Smith den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften erhalten.

1. Risikoaversion – Die Angst vor Verlusten

Eine der wichtigsten Heuristiken in Bezug auf die Vermögensanlage ist die Angst vor Verlusten (Risikoaversion). Menschen empfinden Verluste im Schnitt zweimal schmerzhafter als die Freude über einen Gewinn. Daher präferieren viele Anleger*innen das nominell verlustfreie Sparbuch gegenüber Aktien oder Fonds, welche schwankende Kurse aufweisen und unter Umständen mit Verlusten verkauft werden müssen. Dass Wertpapiere auf der anderen Seite jedoch auch Chancen bieten und Sparbücher aufgrund der Inflation real ständig weniger wert werden, wird in der Veranlagungsentscheidung oft nicht bedacht.

 

Die unterschiedliche Wahrnehmung von Gewinnen und Verlusten führt auch dazu, dass Wertpapiere mit nicht realisierten Verlusten oft zu lange im Depot gehalten werden. Anleger*innen hegen oftmals die Hoffnung, dass sich diese „Verlierer“ vielleicht wieder positiv entwickeln und der Verlust dadurch ausgeglichen werden kann. Auf der anderen Seite werden Wertpapiere mit positiven Wertentwicklungen oft voreilig aus dem Depot verkauft, da die Angst vor einem Verlust die Freude über mögliche weitere Kurssteigerungen übersteigt. Risikoaversion führt also dazu, dass die falschen Wertpapiere zu lange gehalten und attraktive Chancen nicht genutzt werden, was wiederum die Performance des Portfolios negativ beeinflusst.

2. „Die Mehrheit liegt bestimmt richtig“

Menschen sind naturgemäß soziale Wesen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir uns in einer Herde deutlich sicherer fühlen und der Meinung des „Mainstreams“ vertrauen. Dabei können durch die Ausrichtung unseres Verhaltens an die Gruppe kollektiv irrationale Effekte ausgelöst werden. Zudem werden durch Medien und die Pressearbeit von Unternehmen Informationen oft überspitzt und deutlich gravierender kommuniziert als dies tatsächlich der Fall ist. Unter anderem werden Meinungen verzerrt dargestellt, eine Zeitknappheit suggeriert oder nur die positiven Aspekte hervorgehoben. Das kann ebenfalls zu irrationalen Anlageentscheidungen führen. Anleger*innen wollen schließlich dabei sein, „wenn die Musik spielt“ und „dort investieren, wo auch andere schnelle Gewinne gemacht haben“. Herdenverhalten kann im Extremfall dazu führen, dass wir Trends blind folgen und Spekulationsblasen angeheizt werden. Das nachvollziehbare Verhalten einzelner Personen führt durch die kollektive Bündelung somit zu irrationalen Effekten auf Marktebene.

 

Herdenverhalten und Übertreibungen führten zum Beispiel bei der berühmten Tulpenmanie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts oder auch bei der Dotcom-Blase Anfang des 21. Jahrhunderts zu starken Kursschwankungen und zu deutlichen Verlusten bei einem Großteil der Anleger*innen.

3. „Nirgendwo ist es so schön wie zu Hause“

Die Überrepräsentation von heimischen Unternehmen in der medialen Berichterstattung und ein gewisser Patriotismus führen ebenfalls zu einer deutlich überproportionalen Anlage in den Heimatmarkt. Schweizer Pensionskassen haben z. B. im Jahr 2020 30 % ihres Vermögens in Schweizer Aktien angelegt, obwohl diese nur 3 % der weltweiten Marktkapitalisierung ausmachen. Diese Überrepräsentation im Portfolio führt im Endeffekt zu Konzentrationsrisiken und ist nur bedingt rational erklärbar, könnte jedoch durch eine stärkere internationale Diversifizierung schnell und günstig korrigiert werden. Die Vermeidung von durch Heuristiken hervorgerufenen Risiken ist, wie im Fall der Schweizer Pensionskassen, meist recht schnell und günstig, das Schwierige ist jedoch das Eingestehen der eigenen Irrationalität.

Wie man Verlusten aufgrund Irrationalität vorbeugen kann

Um Fallstricke und irrationales Verhalten in der Vermögensanlage zu vermeiden, ist es wichtig, sich Zeit für die Entscheidungen zu nehmen und sich nicht unter Druck zu setzen. Verpasste Chancen sollten nicht ständig bereut werden, eine nächste aussichtsreiche Gelegenheit wird in Zukunft bestimmt wiederkommen. Informationen sollten, wenn möglich, unabhängig beurteilt und verifiziert werden, insbesondere wenn es sich um heiße Tipps von selbsternannten „Börsen-Gurus“ handelt.

 

Langfristig orientierte Anleger*innen legen ihren Fokus auf eine breite geografische und sektorale Risikostreuung und springen nicht auf jeden medial gepushten Trend auf. Essenziell ist dabei vor jeder Geldanlage die Definition einer Anlagestrategie, um die eigene Psyche durch das Aufstellen von einfachen Regeln vor impulsiven Handlungen zu schützen. Dadurch können unnötige Risiken vermieden und der Grundstein für eine erfolgreiche Veranlagung gelegt werden.

 

 

Quellen

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