"Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um über Zinsen zu sprechen"

Nach Jahren des Nullzinsumfeldes gewinnen klassische Sparprodukte durch die steigenden Zinsen wieder an Attraktivität. Anleger*innen betrachten auch Anleihen wieder als eine interessante Anlageklasse. Wir haben Mag. Martin Mausser, Leiter des Teams Money & Capital Markets, zu einem Gespräch über diese Entwicklungen gebeten und ihn gefragt, wozu Expert*innen derzeit raten.

Herr Mausser, können Sie für uns die Entwicklung der letzten Monate aus Ihrer Sicht bitte zusammenfassen?

Was die Zinsen auf Spareinlagen angeht, haben Privatkund*innen in der Vergangenheit eine lange Durststrecke durchlebt. Die Zinsen lagen über Jahre hinweg für viele Laufzeiten weit unter 1 %, oftmals nur knapp über 0 %. Seit dem letzten Jahr dreht sich das Rad jedoch in eine andere Richtung: Begründet durch die anhaltend hohen Inflationszahlen kam es zu starken Zinserhöhungen durch die Zentralbanken. Innerhalb kürzester Zeit sehen wir jetzt bei denselben Sparformen Zinsen von bis zu 2,5 % oder mehr. Auch Anleihen, lange Zeit von Investor*innen ausgeklammert, werden damit plötzlich wieder als eine interessante Anlageklasse wahrgenommen.

Wie schätzen Sie als Experte die weitere Entwicklung ein, folgen dieses Jahr noch weitere Zinsanstiege?

In der BTV gehen wir davon aus, dass wahrscheinlich noch zwei weitere Zinsschritte im Jahr 2023 folgen werden. Damit dürfte dann aber vorerst der Höhepunkt der Zinsanhebungen erreicht sein. Die Zinserwartungen auf lange Sicht gehen bereits wieder zurück. Das hängt unter anderem mit der weiteren Inflationsentwicklung zusammen, die von einem deutlich niedrigeren Inflationsniveau als jetzt ausgeht – zumindest mittel- bis langfristig.

Welche Auswirkungen auf die Sparzinsen hat der von Ihnen beschriebene Marktausblick in der Praxis? Wie wirkt sich das auf Ihren professionellen Alltag aus?

In der Praxis macht sich diese Prognose tatsächlich bereits bemerkbar. Beispielsweise sehen wir bei Sparprodukten mit Laufzeiten bis ca. 12 Monaten ein leicht steigendes Zinsangebot. Ab einer Laufzeit von 12 Monaten fällt das Zinsniveau jedoch schon wieder. Wir sehen hier also das doch recht ungewöhnliche Bild einer inversen Zinskurve, also dass derzeit Einlagen mit längeren Laufzeiten die niedrigeren Zinsen erhalten. Alles in allem erleben wir derzeit ein Bild, wie man es nur sehr selten vorfindet.

Wie reagieren die Kund*innen auf diese Veränderungen? Nehmen Sie hier Auswirkungen in Hinblick auf die Einlagesituation wahr?

In der Vergangenheit haben viele Kund*innen die Nullzinssituation achselzuckend akzeptiert. Wieder andere Kund*innen haben stattdessen den Weg hin zu mehr Risiko gesucht und sind in andere Anlageklassen, wie zum Beispiel Aktien, gewechselt.

 

Dabei stellte so mancher Kunde oder so manche Kundin in der Vergangenheit manchmal fest, dass sie oder er die persönliche Risikopräferenz zum Teil ausgereizt oder überschritten hat, um überhaupt noch Renditen zu erzielen. Jetzt lässt sich beobachten, dass genau diese Kund*innen auch wieder den Weg zurück zu klassischen Einlagenprodukten suchen, wenn diese der persönlichen Anlegermentalität besser entsprechen.

Worauf sollten Kund*innen jetzt achten, welche Fehler gilt es zu vermeiden?

Teilweise stellen wir fest, dass Kund*innen angesichts der ungewohnten Umstände aktuell etwas überfragt sind und mitunter zu kurzfristig denken. Das kommt vor allem daher, dass es derzeit eben die höheren Zinsen für eine 12- Monatsbindung gibt und bei Bindungen über 12 Monaten die Zinsen schon wieder abnehmen. Da passiert es leicht, dass Kund*innen sich für eine täglich fällige oder kurz gebundene Einlage wie zum Beispiel in der Form eines Sparkontos entscheiden und es dabei belassen.

 

Eine optimierte Anlagestrategie blickt jedoch weiter voraus. Denn nur selten müssen die Kund*innen in den nächsten 6 oder 12 Monaten über ihr gesamtes Erspartes verfügen können. Unsere klare Empfehlung ist es daher, das Ersparte über mehrere Laufzeiten zu verteilen. Es mag sich auf den ersten Blick ein wenig unlogisch anfühlen, aber sich jetzt schon für einen Teil des Vermögens für 3, 4 oder vielleicht sogar mehrere Jahre das heutige Zinsniveau für einen Teil des Volumens zu sichern, macht rückblickend betrachtet in der Zukunft dann aber Sinn. Denn das heutige Zinsniveau geht in ein paar Monaten vielleicht schon wieder nach unten. Genau diesen Rückgang bildet die heutige Zinskurve schon ab.

Eine spannende Situation, haben Sie hierzu Erfahrungswerte aus der Vergangenheit?

Viele Anleger*innen haben ein ähnliches Szenario bereits in den Jahren 2007 und 2008 erlebt. Auch damals waren die Zinsangebote bei Sparprodukten mit Laufzeiten bis zu 12 Monate am höchsten und auf täglich fällige Sparformen gab es attraktive Angebote. Für längere Laufzeiten gab es auch damals keinen weiteren Bonus und teilweise schon wieder niedrigere Zinsen. Das Zinsniveau ging kurz danach jedoch rasch und weit nach unten. Wer sich 2008 für eine lange Laufzeit entschieden hat, konnte für diese Jahre vom 2007er- bzw. 2008er-Zinsniveau profitieren. Kund*innen, die sich nur für eine 12-Monatsbindung entschieden hatten, konnten bei der Wiederanlage 12 Monate später diese nur mehr deutlich niedriger verzinst abschließen.

Sie empfehlen also, sich bewusst für mehrere Laufzeiten zu entscheiden. Mit welchen Produkten können die Kund*innen dies am besten abbilden?

Ich empfehle, dass man das zur Verfügung stehende Vermögen aufteilt: Für jenen Betrag, über den man täglich fällig verfügen können möchte, kann eine klassische Spareinlage die ideale Wahl bleiben. Auch bei Laufzeiten bis zu 12 Monaten oder bis hin zu 36 Monaten kann der Vermögensanteil ebenfalls noch auf einem Sparkonto angelegt werden. Insbesondere ab Laufzeiten von 48 Monaten lohnt sich dann aber eindeutig der Blick auch auf andere Assetklassen. Für die längerfristige Geldanlage sollten Wertpapierinvestments in Betracht gezogen werden, um das Portfolio zu diversifizieren.

Was können Sie unseren Kund*innen also abschließend raten?

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um über Zinsen zu sprechen. Deshalb empfehle ich unseren Kund*innen an dieser Stelle unbedingt, das Gespräch mit dem BTV Betreuer oder der BTV Betreuerin zu suchen, um gemeinsam einen Blick auf die optimale Geldanlage zu werfen.

Herr Mausser, wir bedanken uns für das Gespräch.

Ihr Experte im Gespräch

Mag. Martin Mausser ist seit 2007 in der BTV VIER LÄNDER BANK tätig. Seit 2014 leitet er das Team Money & Capital Markets.

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    Quelle: BTV; Stand: 15.06.2022. Die Beiträge in dieser Publikation dienen lediglich der Information. Die BTV prüft ihr Informationsangebot sorgfältig. Dennoch bitten wir um Verständnis, dass wir diese Informationen ohne Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität zur Verfügung stellen. Verleger und Verfasser behalten sich einen Irrtum, insbesondere in Bezug auf Kurse und andere Zahlenangaben, ausdrücklich vor. Durch neue Entwicklungen oder kurzfristige Änderungen können diese Informationen daher bereits überholt sein. Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte. Von diesen kann nicht auf die tatsächliche künftige Wertentwicklung geschlossen werden, weil zukünftige Entwicklungen des Kapitalmarktes nicht im Voraus zu bestimmen sind. Bei diesen Informationen handelt es sich um keine individuelle Anlageempfehlung, kein Angebot zur Zeichnung bzw. zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Bitte beachte Sie, dass ein Investment mit Risiken verbunden ist.