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Das Anlegerprofil – Wissenswertes zu Praxis und Regulierung

Veröffentlicht am 18.12.25
Wer Geld anlegen möchte, wird von seiner Bank bzw. seinem/seiner Berater*in nach persönlichen Zielen, Erfahrungen und der eigenen Einstellung zu Risiken gefragt. Das Ergebnis ist das sogenannte Anlegerprofil.
Marco Tamalio
Marco TamalioExperte Money und Capital Markets

Was ist das Anlegerprofil?

Das Anlegerprofil ist das zentrale Instrument des Anlegerschutzes im europäischen Wertpapiergeschäft. Es bündelt Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen, Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit, Anlagehorizont, finanzielle Ziele, Nachhaltigkeitspräferenzen sowie persönliche Umstände. Auf dieser Basis prüfen Institute, ob Finanzinstrumente geeignet oder angemessen sind. Rechtsgrundlage ist die EU-Richtlinie MiFID II (seit 03.01.2018), in Österreich umgesetzt durch das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 (WAG 2018) und in Deutschland durch Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) im Rahmen des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (2. FiMaNoG). MiFID II verpflichtet Wertpapierdienstleister, die Eignung und Angemessenheit bei Beratung/Portfolioverwaltung und die Angemessenheit bei sonstigen Dienstleistungen zu beurteilen. Art. 25 MiFID II verlangt hierzu Informationen über das eigene Wissen bzw. die Erfahrung, über Ihre finanzielle Situation (inkl. Verlusttragfähigkeit) und Ihre Anlageziele (inkl. Risikotoleranz). Das Ziel: Sie sollen sich mit Ihren Investments wohlfühlen und keine unnötigen Risiken eingehen.

Warum ist das Anlegerprofil so wichtig und was wird abgefragt?

In der Europäischen Union gibt es strenge Regeln, damit Anlegerinnen und Anleger geschützt werden. Banken und Berater*innen dürfen Ihnen nur dann Empfehlungen geben, wenn sie wissen, wie viel Risiko Sie eingehen möchten, wie Ihre finanzielle Situation aussieht und welche Ziele Sie verfolgen. Ohne ein solches Profil dürfen keine Wertpapiergeschäfte durchgeführt werden.

  • Kenntnisse & Erfahrung: Haben Sie schon einmal Aktien, Fonds oder andere Wertpapiere gekauft? Welches Volumen, wie oft und wie lange?
  • Risikobereitschaft & Verlusttragfähigkeit: Wie viel Schwankungen oder Verluste können und wollen Sie aushalten? Haben Sie genug finanzielle Reserven?
  • Anlagehorizont: Wie lange möchten Sie Ihr Geld anlegen? Kurzfristig (z. B. für eine Anschaffung in 2 Jahren) oder langfristig (z. B. für die Rente)?
  • Ziele: Sparen Sie für die Altersvorsorge, für größere Anschaffungen oder möchten Sie einfach Ihr Vermögen vermehren?
  • Persönliche Umstände: Über welches regelmäßige Einkommen verfügen Sie? Haben Sie Familie, Kredite oder andere Verpflichtungen?

Wer muss ein Anlegerprofil ausfüllen und wann?

Grundsätzlich alle Kund*innen, die Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen. Bei Gemeinschaftsdepots wird für jede Inhaberin bzw. jeden Inhaber ein eigenes Profil erstellt; Dispositionen müssen für alle Mitinhaber*innen angemessen bzw. geeignet sein. Sollte die Risikoklasse der Depotinhaber*innen voneinander abweichen, zählt immer die niedrigste Risikoklasse aller Inhaber*innen. Hat ein Inhaber bzw. eine Inhaberin im Anlegerprofil z. B. die Risikoklasse 2 angegeben, der/die andere die Risikoklasse 4, so können ausschließlich Wertpapiere der Risikoklasse 2 auf dem gemeinsamen Depot geordert werden. Möchte der/die Depotinhaber*in mit Risikoklasse 4 jedoch unbedingt auch Aktien (Risikoklasse 4) ordern und der/die andere Depotinhaber*in will aus Sicherheitsgründen keinesfalls von Risikoklasse 2 abweichen, so ist eine Trennung in zwei unterschiedliche Depots notwendig.

Was bedeutet Risikobereitschaft und warum ist sie so entscheidend?

Die Risikobereitschaft beschreibt, wie entspannt oder nervös Sie auf Schwankungen und mögliche Verluste bei Ihren Geldanlagen reagieren. Es geht also um Ihre persönliche Einstellung zu Risiken und um die Frage, wie viel Geld Sie potenziell bereit sind, zu verlieren.

Beispiele für verschiedene Risikotypen:

  • Kapitalerhalt und sichere Erträge: Vollständiger Kapitalerhalt und geringe positive Wertentwicklung.
  • Moderates Kapitalwachstum: Erträge, die über dem allgemeinen Zinsniveau liegen; Einbußen am geringeren Teil des eingesetzten Kapitals möglich.
  • Dynamisches Kapitalwachstum: Erträge, die stark über dem allgemeinen Zinsniveau liegen; Verlustrisiko beim überwiegenden Teil des eingesetzten Kapitals möglich.
  • Überdurchschnittliches Kapitalwachstum: Überdurchschnittlich hohe Ertragsaussichten; Einbuße des gesamten eingesetzten Kapitals möglich.

Warum ist die Risikobereitschaft so wichtig?

Stellen Sie sich vor, Sie investieren in Aktien und der Kurs fällt plötzlich um 20 %. Wenn Sie dann nachts nicht mehr schlafen können oder in Panik verkaufen, passt diese Anlageform nicht zu Ihrer Risikobereitschaft. Ihr Anlegerprofil hilft, solche Situationen zu vermeiden.

Praxisbeispiel:

Eine Ärztin mit hohem, sicherem Einkommen und großem Notgroschen könnte sich eigentlich hohe Verluste leisten (hohe Risikotragfähigkeit), fühlt sich aber mit Schwankungen unwohl (geringe Risikobereitschaft). Ein Berufseinsteiger mit befristetem Vertrag hat vielleicht Lust auf Risiko, kann sich Verluste aber finanziell nicht leisten. Das Profil muss beides abbilden: Was kann ich mir leisten und womit fühle ich mich wohl?

Wie wird die Risikobereitschaft ermittelt?

Im Gespräch mit Ihrer Bank oder Ihrem/Ihrer Berater*in werden Ihnen Fragen gestellt, zum Beispiel:

  • Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Depotwert um 10 % sinkt?
  • Haben Sie schon einmal Verluste erlebt und wie sind Sie damit umgegangen?
  • Was ist Ihnen wichtiger: Sicherheit oder die Chance auf hohe Gewinne?

Ihre Antworten helfen, Ihre Risikoklasse zu bestimmen. Es gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Risikobereitschaft – wichtig ist, dass Sie ehrlich antworten und sich mit Ihrer Entscheidung wohlfühlen.

Was ist die Risikotragfähigkeit?

Die Risikotragfähigkeit beschreibt, wie viel Verlust Sie sich finanziell leisten können, ohne Ihre Ziele oder Ihren Lebensstandard zu gefährden. Sie hängt von Ihrem Einkommen, Ihren Ersparnissen, Ihren Verpflichtungen und Ihrer Lebenssituation ab. Auch wenn Sie bereit sind, hohe Risiken einzugehen, sollte Ihre finanzielle Lage das zulassen.

Die Risikotragfähigkeit hängt von Ihrem Einkommen, Ihren Ersparnissen, Ihren Verpflichtungen und Ihrer Lebenssituation ab.

Anlagehorizont, Ziele und persönliche Umstände

  • Anlagehorizont: Je länger Sie Ihr Geld anlegen können, desto mehr Schwankungen können Sie aussitzen. Wer in zwei Jahren ein Haus kaufen will, sollte keine Aktien kaufen. Wird das Kapital kurz- oder mittelfristig nicht benötigt, kann in Finanzinstrumente mit längerer Bindung investiert werden. Auch die erhöhte Volatilität eines Finanzinstruments kann durch eine längere Behaltedauer ausgeglichen werden.
  • Ziele: Spezifische Altersvorsorge, allgemeine Vermögensbildung oder überproportionale Teilnahme an Marktchancen – je nach Ziel passt eine andere Strategie.
  • Persönliche Umstände: Haben Sie Familie, Kredite oder ein unsicheres Einkommen? Dann ist es sinnvoll, einen größeren Notgroschen zu haben und vorsichtiger zu investieren. Die Einkommenssicherheit, der Beschäftigungsstatus, familiäre Verpflichtungen, Schulden, Versicherungsdeckungen und auch die steuerliche Situation beeinflussen die Risikotragfähigkeit. Eine entsprechende „Notreserve“ (z. B. 3 bis 6 Monatsgehälter) ist Voraussetzung für jedes Wertpapierinvestment. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern, einem Kredit und knappem Puffer verfolgt eine andere Strategie und fokussiert sich auf ein entsprechendes Liquiditätspolster. Alleinstehende mit einem unbefristeten Vertrag und niedrigen Fixkosten können eine höhere Risikoallokation tragen. Wichtige Änderungen wie Heirat, Nachwuchs, ein Immobilienkauf, eine Erbschaft oder ein Jobwechsel erfordern die Aktualisierung des Anlegerprofils.

Die gemeinsame Erstellung mit Ihrer Betreuerin bzw. Ihrem Betreuer

Im persönlichen Gespräch erhalten Sie Informationen zum Zweck und der Wirkung des Profils, sie geben Ihre Daten strukturiert an, Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit werden festgelegt. Sie beantworten Fragen zu Ihren Erfahrungen, Zielen und Ihrer finanziellen Situation. Das Profil wird regelmäßig überprüft und angepasst, etwa wenn sich Ihre Lebensumstände ändern (z. B. Heirat, Jobwechsel, Erbschaft). Auch telefonisch kann das Profil erstellt oder aktualisiert werden – wichtig ist, dass alles dokumentiert und aufgezeichnet wird.

Das Anlegerprofil ist nicht statisch. Gesetzlich vorgesehene Überprüfungen und anlassbezogene Updates stellen sicher, dass veränderte Umstände reflektiert werden. Bei steigender Verantwortung oder sinkender Risikotragfähigkeit wird die Allokation defensiver, bei Vermögenszuwachs und stabiler Lage kann sie offensiver werden. Technisch können Profile digital aktualisiert werden, Änderungen werden verifiziert (z. B. Zwei‑Faktor‑Freigaben) und wirksam dokumentiert.

Fazit

Das Anlegerprofil ist Ihr persönlicher Wegweiser für die Geldanlage. Es sorgt dafür, dass Sie und Ihr/e Berater*in die richtigen Entscheidungen treffen – angepasst an Ihre Ziele, Ihre Risikobereitschaft und Ihre Lebenssituation. Regelmäßige Updates halten Ihre Strategie auf Kurs und helfen, langfristig erfolgreich zu sein.

  • Die in diesem Beitrag verwendeten Fach- und Finanzbegriffe werden unter btv.at/glossar ausführlich erklärt.

    Diese Marketing-/Werbemitteilung stellt keine Anlageberatung, kein Angebot zur Zeichnung bzw. zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar und ersetzt auch keine Anlageberatung. Beachten Sie bitte, dass ein Investment in Finanzinstrumente mit Risiken, wie Kursschwankungen oder Vermögensverlusten, verbunden sein kann. Die Beiträge in dieser Publikation dienen lediglich der Information. Die BTV prüft ihr Informationsangebot sorgfältig. Beachten Sie bitte dennoch, dass Einschätzungen und Bewertungen die Meinung des jeweiligen Verfassers zum Zeitpunkt der Erstellung bzw. der Ausarbeitung reflektieren und für die Richtigkeit und den Eintritt eines bestimmten Erfolges keine Gewähr übernommen wird.