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Ein Tablet und ein Notizblock mit Füllfeder liegen auf Unterlagen am Tisch

Zollpause: Wie geht’s jetzt weiter?

Nach nur 13 Stunden hat Trump die neuen reziproken Zölle fast vollständig wieder ausgesetzt. Die Finanzmärkte haben zunächst euphorisch reagiert, dennoch bleibt die Unsicherheit über seine weitere Vorgehensweise hoch.

MarktmeinungAktuelles

Tag der Befreiung?

Bereits im März wurden die US-Wachstumserwartungen infolge von Trumps Zollpolitik von den Analysten spürbar nach unten revidiert und die Rezessionssorgen haben zugenommen. Zugespitzt hat sich die Situation Anfang April nach Trumps sogenanntem „Tag der Befreiung“ und den aggressivsten Zollerhöhungen der jüngeren amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Die chinesische Regierung hat ihrerseits unmittelbar Gegenzölle beschlossen, die EU – in geringerem Ausmaß – ebenfalls. An den Finanzmärkten kam es zu drastischen Kursverlusten.

Trump rudert zurück: Euphorie an den Märkten

Während sich Trump überzeugen ließ, die meisten dieser neuen Zölle nur 13 Stunden nach dem Inkrafttreten für vorerst 90 Tage wieder auszusetzen, zeigt er sich gegenüber China bisher unnachgiebig. Abstrafen will er die chinesische Regierung dafür, dass sie nicht verhandlungsbereit sei, sondern ihrerseits Gegenzölle eingeführt hat. Lediglich auf bestimmte Elektronikprodukte wie Smartphones oder Laptops sollen keine Zölle erhoben werden, wie Trump vergangenes Wochenende verkündete. Diese Sonderregeln helfen den großen US-Konzernen, die einen Großteil ihrer Produkte aus China und anderen asiatischen Ländern importieren.

Die Finanzmärkte haben bisher aber kaum auf die unfassbar hohen Zölle von 145 %, sondern vielmehr auf das angekündigte Aussetzen der reziproken Zölle reagiert und Tagesgewinne wie zuletzt 2008 verbucht. Diese euphorische Stimmung dürfte aber nicht nachhaltig sein und wir beurteilen die Situation in der BTV nach wie vor als schwierig und wenig vorhersehbar. Selbst nach der Pausierung der reziproken Zölle bleiben die universellen 10 % auf alle US-Importe sowie verschiedene sektorale Zölle in Kraft, deren negative Effekte sich noch nicht auf die Weltwirtschaft durchgeschlagen haben.

Trumps Zollankündigungen im Zeitverlauf

Quelle: Bloomberg, Stand: 09.04.2025

Negativszenario bisher nicht eingetreten

Nachdem Trumps weitere Vorgehensweise kaum vorhersehbar ist und es sich um ein untypisches wirtschaftliches Umfeld handelt, in dem Bewegungen am Finanzmarkt und Wachstumsprognosen quasi nur an einer einzigen Person hängen, ist es schwer, einen konkreten Wirtschaftsausblick abzugeben. Wären die reziproken Zölle wie geplant in Kraft getreten bzw. wenn sie in 90 Tagen gültig werden, würde dies zu unterbrochenen Lieferketten und einem massiven Stimmungsabfall unter Konsument*innen und Unternehmen führen, was einen weiteren Rückgang bei Konsum und Investitionen zur Folge hätte.

Die höheren Zölle drücken auf die Margen der Unternehmen und verringern die Kaufkraft der Konsument*innen. In einem solchen Szenario scheint eine Rezession in den USA sowie auch auf globaler Ebene unvermeidbar und auch ein weiterer Abverkauf an den globalen Aktienmärkten wäre zu erwarten. Einer EZB-Schätzung zufolge würden 20 % Zölle auf Exporte in die USA das BIP-Wachstum der Eurozone um 0,3 Prozentpunkte senken, wobei dieser negative Effekt deutlich stärker ausfallen würde, sollte die EU massive Gegenzölle einführen.

Basisszenario: Starke globale Wachstumsabschwächung, aber keine Rezession

Das Aussetzen der reziproken Zölle sowie auch die Ankündigung vom vergangenen Wochenende, bestimmte Elektronikprodukte wie Smartphones von den Zöllen auszunehmen, hat unsere Ansicht gestärkt, dass sich der Druck in Trumps Umfeld erhöht hat und er nicht weiter im Alleingang seinen globalen Zollkrieg weiterführen kann. Wir gehen davon aus, dass die USA mit jenen Staaten, gegenüber denen die USA das größte Handelsbilanzdefizit aufweisen, Vereinbarungen trifft. Im Gegenzug werden die geplanten Zölle reduziert bzw. treten womöglich gar nicht in Kraft.

Die EU-Kommission hat sich bis zuletzt verhandlungsbereit gezeigt und nur mit sehr moderaten Gegenmaßnahmen auf die – inzwischen um 90 Tage verschobenen – reziproken Zölle von 20 % reagiert. Neben den globalen 10 % gelten aber auch die sektoralen Zölle von 25 % auf Aluminium und Stahl sowie Autos weiterhin. Das wird insbesondere für die deutsche Industrie zur Belastung, die ohnehin seit Jahren schwächelt. Daran wird kurzfristig auch das geplante Infrastrukturpaket nicht viel ändern, da ein erster großer Ausgabenblock erst für 2026 erwartet wird. Die EU-Kommission beratschlagt aktuell noch über mögliche Gegenmaßnahmen.

Ein großes Risiko bleiben die Zölle auf chinesische Importe i. H. v. 145 %. Auf diesem Niveau ist der Kaufkraftverlust für Konsument*innen erheblich. Der negative Effekt kann sehr schnell durchschlagen, wenn der Handel mit China stark zurückgeht, was wahrscheinlich ist, da auch US-Exporte nach China mit 125 % nun drastisch höher verzollt sind. Die USA importierten 2024 Waren im Wert von etwa 450 Mrd. USD aus China. Das sind knapp 13 % aller Importe und entsprechen 1,5 % des BIP. Dieser Anteil scheint zwar nicht besonders hoch, aber über Zweitrundeneffekte und unterbrochene Lieferketten kann der Schaden erheblich werden. Um den Effekt abzumildern, müssten schnell geeignete Ersatzquellen gefunden werden, was sich aber als schwierig erweisen dürfte. China zeigt aktuell keine Anzeichen für einen Rückzieher, weshalb auch die USA ihre Zölle nicht zurücknehmen dürften. Ein völliges Zusammenbrechen des bilateralen Handels wäre aber für beide Seiten zu kostspielig, weshalb wir in der BTV mittelfristig eine Einigung bzw. Senkung der Zölle erwarten.

China als wichtiger US-Handelspartner

Quelle: Bloomberg, Stand: 09.04.2025

Aber auch abseits von China richtet Trump trotz des vorläufigen Aussetzens der reziproken Zölle großen Schaden an, indem er die Verunsicherung schürt. Selbst wenn die Märkte nach der Pausierung der Zölle euphorisch reagiert haben, hat sich nichts daran geändert, dass Konsument*innen, Unternehmen und Investor*innen verunsichert sind. Der Konsum nimmt in den USA einen Anteil von knapp 60 % des gesamten Bruttoinlandsproduktes ein, weshalb sich Rückgänge dort sehr schädlich auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Auch die Unsicherheit und die Volatilität an den Finanzmärkten dürfte erhöht bleiben. Wenn der Zollstreit nicht weiter eskaliert und die reziproken Zölle nicht in Kraft treten, sollte eine globale Rezession zwar vermieden werden können, ein spürbarer Rückgang des Weltwirtschaftswachstums bleibt dennoch Basisszenario.

Notenbanken: Schwieriges Umfeld mit schwachem Wachstum und erhöhten Inflationsrisiken

Die US-Notenbank Fed wird von Trumps Zollkrieg in eine unangenehme Lage gebracht. Bis vor wenigen Wochen lag der Fokus noch auf der abnehmenden Wirtschaftsdynamik, bei der die Fed mit Zinssenkungen unterstützen könnte. Durch die neuen Zölle ist aber auch das Inflationsrisiko angestiegen, was durch zu schnelle Zinssenkungen noch angekurbelt werden würde.

In den USA sind erhöhte Inflationsrisiken durch die neuen Zölle, einer möglichen Unterbrechung von Lieferketten und einem schwächeren US-Dollar gegeben. Bereits seit Jahresbeginn wertet die Währung ggü. dem Euro, aber auch ggü. anderen wichtigen Währungen kontinuierlich ab (siehe Grafik unten). Diese Effekte dürften sich aber erst etwas zeitverzögert auswirken. Aktuell steht das schwächere Wirtschaftswachstum im Vordergrund, das sich deflationär auswirkt, wie die jüngste Inflationsrate von –0,1 % ggü. dem Vormonat zeigt. Auch ggü. dem Vorjahr ist sie von 2,8 % auf 2,4 % deutlich gesunken. Eine konkrete Einschätzung über die Auswirkungen auf die Inflation sowie den weiteren geldpolitischen Pfad ist daher schwierig. Die Markterwartungen schwanken aktuell stark, erwarteten aber vorübergehend bis zu vier Zinssenkungen durch die Fed bis Jahresende. Dies halten wir nur im Falle einer US-Rezession für realistisch. Angesichts der abschwächenden Wirtschaftsdynamik bei gegebenem Inflationsrisiko erwarten wir in der BTV noch drei Senkungen, sofern es nicht zu einem nachhaltigen Inflationsanstieg kommt.

Die EZB hat den Leitzins im April um 25 Basispunkte auf 2,4 % (Einlagesatz auf 2,25 %) gesenkt, um die Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen. Die Inflation liegt nahe am Ziel, die Geldpolitik ist nahezu neutral und es gibt erhöhte Unsicherheit durch geplante Verteidigungsausgaben sowie durch Trumps Zollkrieg, was sich beides mittelfristig inflationär auswirken könnte. Das Inflationsrisiko scheint in der Eurozone aber deutlich geringer zu sein als in den USA. Mögliche Vergeltungsmaßnahmen der EU dürften nur langsam erfolgen und der Euro wertete bis zuletzt ggü. dem US-Dollar auf. In Summe dürfte dies der EZB den Spielraum für bis zu zwei weiteren Senkungen bis Jahresende verschaffen.

US-Dollar gegenüber Währungen der wichtigsten Handelspartner deutlich schwächer

Quelle: Bloomberg, Stand: 09.04.2025

2025 – ein Jahr der Turbulenzen

Das Jahr 2025 dürfte damit turbulent bleiben. Unklar, wie sich die US-Handelspolitik in diesem Jahr entwickeln wird, müssen sich US-Handelspartner rüsten und auf Diversifikation von Lieferketten und Absatzmärkten setzen. Kurzfristig gilt dies allerdings als nur schwer umsetzbar, weshalb eine expansive Geld- und Fiskalpolitik kurzfristig als sinnvoll gilt, um die Wirtschaftsentwicklung zu stützen. Die nächsten Monate werden zeigen, wie es im US-Handelskonflikt weitergeht und wie hoch die Angebots- und Nachfrageschocks daraufhin ausfallen. Eingedämmt wird US-Präsident Trump auf alle Fälle durch das Bestreben, die republikanische Mehrheit im Senat beizubehalten, was sich in den Mid-Term-Elections 2026 ändern könnte. Dies könnte dazu führen, dass er sich mit neuen drastischen Beschlüssen irgendwann zu mäßigen beginnt. Da die politische Unsicherheit vorerst dennoch bestehen bleibt, passen wir unser BTV Basisszenario laufend an neue Gegebenheiten an und werden Sie auch zeitnah über Änderungen in unseren Einschätzungen informieren. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Ihren/Ihre Betreuer*in.

  • Die in diesem Beitrag verwendeten Fach- und Finanzbegriffe werden unter btv.at/glossar ausführlich erklärt.

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