Europäische Zentralbank

Die Notenbanken sind für die Geldpolitik und die Funktionsfähigkeit des Geldwesens zuständig, weshalb ihre Entscheidungen in Zeiten hoher Inflation besonders ausschlaggebend sind. In der aktuellen Ausgabe unserer Wissensreihe „Notenbanken und Zinsen“ widmen wir uns der Europäischen Zentralbank.

Außenansicht der Europäischen Zentralbank mit der Flagge der EU im Vordergrund

Aktuelles Umfeld

Die globalen Notenbanken befinden sich im Kampf gegen die Inflation und reagieren mit restriktiver Geldpolitik. Während die US-Notenbank Fed als Vorreiter bereits im März einen ersten Schritt durchführte und den Leitzins erhöhte, zog die EZB erst im Juli nach. Zinserhöhungen bekämpfen zwar die Inflation, belasten aber gleichzeitig das Wirtschaftswachstum. Während die Inflationsbekämpfung bei der Fed oberste Priorität hat und um jeden Preis – auch auf Kosten einer Rezession – gesenkt werden soll, muss die EZB dabei vorsichtiger vorgehen. Die unterschiedliche Wirtschaftsstärke der EU-Mitgliedstaaten aber zugleich ein Leitzins, der für alle gelten soll, stellen die EZB dabei vor eine große Herausforderung.

 

Da aber auch in der Eurozone auf die hohe Inflation von 10 % reagiert werden muss, hat die EZB den Leitzins in diesem Jahr bereits drei Mal erhöht. Es erfolgte ein Zinsschritt um 50 Basispunkte im März und um 75 Basispunkte im Juli sowie im Oktober – Schritte, die in diesem Ausmaß von der EZB noch nie durchgeführt wurden. Dies zeigt, wie ernst es auch der EZB mit der Bekämpfung der Inflation ist. Bis Jahresende wird aktuell ein weiterer Zinsschritt im Ausmaß von 50 Basispunkten erwartet, was in einem Leitzins von 2,5 % resultieren würde.

EZB-Leitzins von 2,5 % bis Jahresende erwartet

Der aktuelle Leitzins liegt bei 2,00 %. Der neutrale Zins, das bedeutet der Zinssatz, der die Wirtschaftsleistung weder befeuert noch belastet, liegt laut Experten zwischen 1,5 % und 2,0 %. Mit einem erwarteten Leitzins von 2,5 % zum Jahresende, der im nächsten Jahr auch noch etwas weiter steigen könnte, befindet sich die EZB damit eindeutig in restriktivem Terrain.

Quelle: Bloomberg; Stand: 26.09.2022. Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte. Von diesen kann nicht auf die tatsächliche künftige Wertentwicklung geschlossen werden, weil zukünftige Entwicklungen des Kapitalmarktes nicht im Voraus zu bestimmen sind.

 

Neben dem Leitzins hat die EZB über Anleihekäufe noch eine weitere Möglichkeit, das Zinsumfeld in der Eurozone zu beeinflussen. Über das Ankaufen von Staatsanleihen der EU-Mitgliedstaaten können die längerfristigen Zinsen beeinflusst werden, während Änderungen im Leitzins nur auf kurzfristige Zinsen abzielen. Auch die Anleihekäufe wurden aber infolge der restriktiveren Ausrichtung der Geldpolitik reduziert und es werden lediglich auslaufende Anleihen bzw. Kuponzahlungen wiederveranlagt, aber keine neuen Anleihen mehr gekauft. Das bedeutet, die Bilanzsumme der EZB bleibt konstant und wird nicht mehr weiter erhöht.

 

Dennoch hält sich die EZB die Möglichkeit offen, über das sogenannte Anti-Fragmentierungs-Tool Staatsanleihen von wirtschaftlich schwächeren EU-Mitgliedsstaaten anzukaufen. Das Ziel dieser Maßnahme ist es, die Risikoaufschläge durch gezielte Staatsanleiheankäufe zu drücken und damit die Finanzierungskosten von ohnehin schwächeren Volkswirtschaften zu reduzieren. Details hierzu sind allerdings zum aktuellen Stand noch keine bekannt.

Aufbau und Organisation

Die EZB mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union und bildet gemeinsam mit den 19 nationalen Zentralbanken der EU-Staaten, in denen der Euro die offizielle Währung ist, das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Die Präsidentin der EZB, seit 1. November 2019 Christine Lagarde, ist Vorsitzende und vertritt die EZB nach außen. Die nationalen Zentralbanken sind dabei die ausführenden Organe, unterliegen aber den Regelungen der EZB. Gegenüber den jeweiligen nationalen Regierungen sind sie hingegen unabhängig, sie unterstehen nur der EZB.

Die weiteren Organe:

  • EZB-Rat: Als oberste Beschlussorgan der EZB, legt der Rat die Richtlinien der Geldpolitik und die Leitzinssätze fest und stellt Zentralbankgeld bereit.
  • EZB-Direktorium: Dieses führt die Geschäfte der EZB und kümmert sich um die Durchführung der Beschlüsse des Rates.
  • Erweiterter EZB-Rat: Dieser existiert nur, solange es EU-Mitgliedstaaten gibt, die den Euro noch nicht eingeführt haben. Im erweiterten EZB-Rat haben alle Präsidenten der nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedsstaaten einen Sitz.

Ziele und Aufgaben 

Eine Zentralbank ist keine gewöhnliche Bank, sondern führt die Geldpolitik eines Landes bzw. einer ganzen Währungsunion. Ihr Hauptziel ist die Stabilität des Preisniveaus. Das heißt, es sollen große Schwankungen des Geldwertes vermieden und die Inflation nahe dem Ziel von 2 % gehalten werden. Ihr zweites wichtiges Ziel ist die ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung und die Vermeidung einer Rezession. Die Zentralbanken verfolgen diese Ziele, indem der Leitzins und damit der Preis für verliehenes Geld erhöht oder gesenkt wird. Das aktuelle Umfeld aus hoher Inflation und nachlassendem Wirtschaftswachstum verdeutlicht allerdings, dass sich diese beiden Ziele oft nicht vereinbaren lassen und die Preisstabilität in diesem Fall Priorität hat.

 

In unserer nächsten Ausgabe der Wissensreihe „Notenbanken und Zinsen“ lesen Sie mehr zur Schweizer Nationalbank und deren Besonderheiten.

Außenansicht von der US-Notenbank Federal Reserve

Zum Weiterlesen

Federal Reserve

Zum Auftakt unserer Wissensreihe „Notenbanken und Zinsen“ widmeten wir uns der US-Notenbank Federal Reserve und ihren Besonderheiten.

Zum Artikel

  • Die in diesem Beitrag verwendeten Fach- und Finanzbegriffe werden unter diesem Link ausführlich erklärt.

    Quelle: BTV; Stand: 28.10.2022. Die Beiträge in dieser Publikation dienen lediglich der Information. Die BTV prüft ihr Informationsangebot sorgfältig. Dennoch bitten wir um Verständnis, dass wir diese Informationen ohne Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität zur Verfügung stellen. Verleger und Verfasser behalten sich einen Irrtum, insbesondere in Bezug auf Kurse und andere Zahlenangaben, ausdrücklich vor. Durch neue Entwicklungen oder kurzfristige Änderungen können diese Informationen daher bereits überholt sein. Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte.